Altgriechisch | Περὶ τοῦ Ἰουδαϊκοῦ πολέμου |
Lateinisch | De bello Iudaico (oder Bellum Iudaicum) |
Englisch | The Jewish War (oder Judean War) |
Ein anderesmal – es war noch vor dem Abfall von Rom und vor dem Ausbruch der ersten kriegerischen Bewegung – als das Volk sich eben am achten des Monates Xanthikus (= Nisan?) zur Feier des Festes der ungesäuerten Brote versammelt hatte, da umfloss um die neunte Stunde (= 3 Uhr?) der Nacht ein so gewaltiger Lichtglanz Altar und Tempelhaus, dass es heller Tag zu sein schien, was etwa eine halbe Stunde währte. Obwohl die Erscheinung in den Augen der Unkundigen als eine gute Vorbedeutung galt, so gaben ihr doch die Schriftkundigen sofort jene Erklärung, die durch die folgenden traurigen Ereignisse bestätigt worden ist.
Bei demselben Feste geschah es, dass die von einer Person zur Opferung geführte Kuh mitten im Tempel ein Widderböcklein gebar. 293 Auch die östliche Pforte des inneren Heiligthums, die ganz von Erz und von so enormer Schwere war, dass sie am Abend von zwanzig Männern nur mit Mühe zugemacht werden konnte, und die sowohl mit eisenbeschlagenen Querpfosten gesperrt, als auch noch mit senkrechten Riegeln versehen war, welche man in die aus einem einzigen Steine bestehende Schwelle sehr tief hineinstecken konnte, diese Pforte sah man auf einmal um die sechste Stunde der Nacht ganz von selbst sich öffnen. Die Wächter des Heiligthums liefen nun schnell mit der Meldung zum Tempelhauptmann, der sofort sich zur Pforte hinausbegab und erst mit vieler Mühe dieselbe wieder schließen konnte. Auch dieses hielten die Unerfahrenen für ein ganz herrliches Vorzeichen, da es nach ihnen nichts geringeres bedeutete, als dass Gott ihnen das Thor zu allen Gütern jetzt aufgesperrt habe. Die Einsichtigen jedoch fanden darin die Andeutung, dass Gott selbst nunmehr seinen Schutz vom Heiligthum zurückziehe und den Feinden zuliebe seine Thore aufmache, und stellten in ihren Kreisen das als bestimmtes Anzeichen der nahenden Verwüstung hin.
Weiter geschah es am sogenannten Pfingstfeste, dass die Priester, als sie nach ihrer Gewohnheit noch im nächtlichen Dunkel ins innere Heiligthum giengen, um ihren heiligen Dienst zu verrichten, zunächst ein Getrabe und Stampfen, wie sie erzählten, dann aber auch die Stimmen einer großen Menge vernommen, die da riefen: „Lasset uns von dannen ziehen!“
Erst wenige Tage waren seit diesem Feste verstrichen, als sich am 21. des Monates Artemisius (= Lyar) eine geisterhafte Erscheinung zeigte, die ganz unglaublich klingt. Wenn das, was ich erzählen werde, nicht in Kreisen von Augenzeugen seine Bestätigung hätte, und die Drangsale, die diesen Zeichen auf dem Fuße gefolgt sind, eine solche Vorbedeutung nicht geradezu herausfordern würden, könnte wohl das Ganze, wie ich fürchte, nur für eine abenteuerliche Fabel gehalten werden. Vor Sonnenuntergang wurden nämlich hoch in der Luft über dem ganzen Lande hin Kriegswagen und Heeresmassen sichtbar, welche durch die Wolken stürmten und die einzelnen Städte umschlossen.