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Kurt Aland

Gründer des Instituts für Neutestamentliche Textforschung

Regeln zur Bestimmung des Originaltextes

In Der Text des Neuen Testaments (1993?) formulierten Kurt und Barbara Aland 12 Regeln der Textkritik, die es erlauben sollten, den Originaltext finden zu können.
Einige dieser Regeln sind in gekürzter Form:
Nur eine einzige Lesart kann die ursprüngliche sein, auch wenn noch so viele abweichende Lesarten existieren.
Die Textkritik muss immer von den Belegen der handschriftlichen Überlieferung ausgehen und darf sich erst dann der Betrachtung der internen Kriterien zuwenden.
Interne Kriterien (der Kontext des Textes, sein Stil und Wortschatz, das theologische Umfeld des Autors) dürfen nicht die einzige Grundlage eines Entscheids sein, insbesondere im Gegensatz zu den äußeren handschriftlichen Evidenzen.
(Interne Kriterien waren die Hauptüberlegungen der inzwischen diskreditierten Schule der höheren Kritik des neunzehnten Jahrhunderts).
Die primäre Autorität für eine kritische Textentscheidung liegt bei der griechischen Handschriftentradition, wobei die Versionen und Väter nur eine ergänzende und bestätigende Funktion haben, insbesondere in Passagen, deren zugrunde liegender griechischer Text nicht mit absoluter Sicherheit rekonstruiert werden kann. Manuskripte sollten gewichtet, nicht gezählt werden, und die besonderen Merkmale jedes Manuskripts sollen gebührend berücksichtigt werden.
Der (vermeintliche) Grundsatz, dass die ursprüngliche Lesart in jedem einzelnen Manuskript (z. B., Vaticanus oder Sinaiticus) oder Version (z.B. Vulgata oder Septuagint) zu finden ist, wenn sie allein oder fast allein steht, ist nur eine theoretische Möglichkeit [ein hypothetisches Konzept?]; … sie bestätigt lediglich Sichtweise über den Textes, die sie voraussetzt.
Es ist etwas Wahres an der Maxime: "Die schwierigere Lesart ist die wahrscheinlichere Lesart". Sie muss aber mit Bedacht eingesetzt werden.
Die andere Maxime "die kürzere Lesart ist die wahrscheinlichere Lesart" ist wohl in vielen Fällen richtig. Aber auch hier gilt, dass dieser Grundsatz nicht mechanisch angewendet werden darf.

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